Deutschland – Entwicklungsland? Gründertum in Deutschland läuft mal so gar nicht

Wir in Hightech-Deutschland sehen uns gerne als wirtschaftliche Superhelden: Wir hatten 2017 das zweite Jahr in Folge den weltweit größten Überschuss in der Export-Import-Leistungsbilanz, seit vier Jahren die schwarze Null und jetzt außerdem mit 5,0 % die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Es läuft also. So richtig. Außer wenn man die Gründungswissenschaftler fragt: Ob KfW, KPMG, die Konrad-Adenauer-Stiftung oder Leibniz Universität Hannover – sie alle bescheinigen Deutschland im Fach Unternehmensgründungen eine 6 oder gerade noch eine 5. Doch wenn wir das mit der nachhaltigen Transformation wirklich ernst meinen und schaffen wollen, müssen mehr smarte nachhaltige Innovationen, Geschäftsmodelle und mutige Gründer her, um der eingestaubten Wirtschaft mal Druck in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu machen.

Denn Start-Ups bringen nicht nur häufiger als etablierte Unternehmen disruptive Innovationen hervor, sie schaffen außerdem neue Arbeitsplätze und garantieren so die Zukunftsfähigkeit einer gesunden Volkswirtschaft. Dieser positive Zusammenhang ist wissenschaftlich bereits seit Jahrzehnten anerkannt und trotzdem stagnieren die Gründungsaktivitäten in Deutschland seit Jahren auf einem unterirdischen Niveau. 2016 betrug der Anteil der Gründer an der Gesamtbevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland lediglich 4,6 % – nur in Italien gab es eine geringere Gründerquote. Dabei sieht es in vergleichbaren Ländern wie Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA oder Kanada mit einer bis zu dreimal so hohen Gründerquote deutlich rosiger aus. Läuft also scheinbar gar nicht bei uns. Doch woran liegt das?

  1. Rahmenbedingungen

Positiv auf die Gründungsaktivitäten wirken sich z.B. öffentliche Förderprogramme, der Schutz geistigen Eigentums, einfacher Markteintritt für neue Produkte und Dienstleistungen, sowie gute Finanzierungsmöglichkeiten aus. Hierbei schneidet Deutschland ganz okay ab (u.a. Finanzierungsmöglichkeiten) oder hat in den letzten Jahren aufgeholt (Öffentliche Förderprogramme). Jedoch liegen neun der 15 bewerteten Rahmenbedingungen im Global Entrepreneurship Monitor unterhalb des internationalen Durchschnitts: Vor allem die schulische, sowie außerschulische Gründerausbildung sind seit Jahren weit abgeschlagen.

  1. Wirtschaftliche Prosperität

Die Konrad-Adenauer-Stiftung sieht einen Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Entwicklungsgrad eines Landes und dem Grad der Gründungsaktivitäten. Demnach zeigt sich, dass in Entwicklungsländern wie in Subsahara-Afrika die Menschen einerseits deutlich häufiger Geschäftschancen erkennen und andererseits diese auch ergreifen als in europäischen oder nordamerikanischen Ländern. Auch die KfW titelt passend „Beschäftigungsrekord mit Nebenwirkung: So wenige Gründer wie nie“ – es scheint so, als ob es für viele Deutsche einfach zu bequem ist, ihren sicheren Arbeitsplatz in einem Angestelltenverhältnis zu behalten anstatt die riskanter scheinende Selbständigkeit anzustreben.

  1. Gründungskultur

Auch die gesellschaftlichen Werte und Normen, die beeinflussen wie wir der Selbständigkeit als Erwerbsalternative gegenüberstehen und wie wir (gescheiterte) Gründer behandeln, werden sehr schlecht bewertet. Vor allem die „Kultur des Scheiterns“ ist in Deutschland sehr gründungsfeindlich, da es immer noch als Stigma angesehen wird, wenn Gründer mit ihrer Geschäftsidee keinen Erfolg haben. Während es in den USA fast schon als Ehre gilt, wenn Entrepreneure von ihren gescheiterten Unternehmungen und dem daraus Gelernten erzählen können, gibt es in Deutschland erst zaghafte Schritte in diese Richtung. Ein positives Beispiel sind die s.g. „FuckUp Nights“, auf denen gescheiterte Gründer humorvoll ihre Geschichte erzählen und Mut machen. Auch scheint es „typisch deutsch“ zu sein, angehende Gründer mit kritischen Fragen zu ihrer Geschäftsidee zu überhäufen, anstatt unterstützend und motivierend einem Gründer erst einmal die Chance zu lassen, sich und seine Idee zu entwickeln. Vor allem gegenüber Frauen scheint es weiterhin patriarchalisch normal zu sein, ihnen zu „mensplainen“, wieso ihre Idee Quatsch sei. Diese Erfahrung durfte ich auch selbst machen: Nachdem ich über soziale Medien bekannt gegeben hatte, dass ich an einem Förderprogramm für nachhaltige Geschäftsideen teilnehme, wurden männliche Follower auf einmal zu Nachhaltigkeits- und Start-Up-Experten, von denen ich noch nicht mal wusste, dass sie überhaupt in der Lage sind ihren Müll zu trennen.

Was können wir also tun, damit es bei den Gründungen besser läuft? Jeder kann ganz einfach aktiv werden!

Informiert euch: viele Unis und Hochschulen haben eigene Gründungszentren, die regelmäßig interessante Veranstaltungen anbieten. Dabei könnt ihr entweder erfahren, auf was für coole Ideen Kommilitonen von euch kommen oder ihr macht bei Workshops mit, um selbst mehr über Entrepreneurship zu lernen. Und denkt bloß nicht, das sei langweilig! Meine Erfahrung zeigt, dass solche Events IMMER fancy, verrückt, kreativ, lustig, bunt und laut und nicht vergleichbar mit Vorlesungen oder Seminaren sind.

Unterstützt: Wenn euch eine Idee gefällt, dann liked die Facebookseite oder tragt euch für Newsletter ein, um auf dem Laufenden über die Weiterentwicklung zu bleiben. Oder schaut euch Crowdfundingseiten wie Betterplace oder Startnext an und werdet schon mit kleinen Beträgen zum Start-Up-Finanzierer. Und wenn ihr neuen nachhaltigen Produkten begegnet, kauft sie doch einfach mal und probiert sie aus! Das sneep Jahresthema eignet sich übrigens auch prima, um grüne Gründer aus eurer Stadt zu einem Vortragabend einzuladen, damit sie ihre Geschichte erzählen.

Seid offen: Unsere Welt steckt noch voller unentdeckter Potentiale und Möglichkeiten und gerade im Bereich Nachhaltigkeit bleibt viel zu tun. Fragt öfter „Warum?“, um Dinge in eurem Alltag zu hinterfragen und so Ideen zu entwickeln. Nutzt das Internet und die Schwarmintelligenz (z.B. bei sneep), um zu diskutieren wieso wir Sachen machen, wie wir sie machen und ob es nicht auch eine bessere Alternative gäbe. Ihr werdet überrascht sein, auf was für Ideen Menschen kommen und wie einfach wir oftmals nachhaltiger leben können.

Seid mutig: Wenn ihr dann so richtig Blut geleckt habt, informiert euch über Förderprogramme und Wettbewerbe für (nachhaltiges) Unternehmertum, z.B. bei Social Impact, Impact Hub oder macht ein Praktikum in einem Start-Up (zu finden z.B. auf startupsucht.com). Und habt keine Angst: Gründertum geht um learning by doing und ein anerkanntes Credo ist „Fail early and often“ – ihr braucht also kein Vorwissen! Und wer weiß, vielleicht fühlt ihr euch irgendwann bereit dazu, EURE Idee tatsächlich weiter zu verfolgen und umzusetzen. Denn ganz ehrlich: Was kann uns schon passieren?!

Linkliste zum Nach- und Weiterlesen:

https://www.fuckupnightsfrankfurt.de/

https://gruene-startups.de/

https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Gr%C3%BCndungsmonitor/KfW-Gr%C3%BCndungsmonitor-2017.pdf

https://www.wigeo.uni-hannover.de/uploads/tx_tkpublikationen/gem2016.pdf

http://www.kas.de/wf/doc/kas_45216-544-2-30.pdf?160518135608

Autorin: Mona Schelle