Wir müssen reden!

Eine Forderung nach einem wirtschaftsphilosophischen Diskurs

Alle sind sich einig- unsere Wirtschaft muss ethisch werden. Nur wie? Die Antwort darauf kann nur in einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit der Ökonomen mit den Philosophen liegen- nicht nur in der Wirtschaftsethik.

Angesichts aktueller Krisen wird in unserer Gesellschaft viel darüber diskutiert, wer denn nun dafür Sorge zu tragen hat, dass unsere Wirtschaft ethisch wird. Was dabei kaum berücksichtigt wird, ist die zugrundeliegende Frage: Was macht eine ethische Wirtschaft eigentlich aus? Eine Antwort darauf kann nur eine Wissenschaft geben, die Philosophie und Wirtschaft als das, was sie sind, betrachtet: zwei Seiten derselben Medaille menschlichen Daseins.

Diese Erkenntnis ist im doppelten Sinne nicht neu. Dass Wirtschaft und Philosophie zusammengedacht werden können, beweisen eine Reihe von Wirtschaftsphilosophen. Dies bleibt aber eben eine Spezialisierung. Der große Mainstream beider Disziplinen beschäftigt sich kaum mit solchen Fragestellungen. Geschichtlich betrachtet ist gerade dies das Neue. Jahrhundertelang wurden heutige Fragen der VWL in der Philosophie diskutiert, bevor jene sich als eigenständige wissenschaftliche Disziplin abtrennte. Wenn Karl Marx über Preise nachdachte, dann immer auch über Werte. Heute setzt der Marktpreis den Wert eines Gutes fest. Über diesen als moralische Instanz wird dabei nicht mehr reflektiert. Kürzlich wurde eben das hier im Blog kritisiert. Der Ansatz passt. Die Forderung, Ethik in die Wirtschaftswissenschaften zu integrieren, geht aber nicht weit genug.

Die Werthaltigkeit ökonomischer Methoden zu analysieren oder eine ethische Diskussion über Wohlfahrtskriterien zu führen wären wichtige Ansätze auf dem Weg zu einer moralischen Wirtschaft. Ebenso wichtig ist aber eine philosophische Reflexion über die in der ökonomischen Argumentation verwendeten Konzepte. Verantwortung, Rationalität, Staat, Arbeit, Eigentum- um nur einige zu nennen. Wer zum Beispiel für die Freiheit der Konsumenten argumentieren möchte, sollte verstehen, welche Freiheit er meint. Ist es die Freiheit von etwas? Die Freiheit zu etwas? Antworten darauf kann die Philosophie geben, wenn sie nicht auf ihren Teilbereich der Ethik reduziert wird. Fehlen diese aber, so entsteht Verwirrung in der Diskussion über die zahlreichen Lösungsmöglichkeiten für die Krisen unserer Zeit. Dann wird beispielsweise rationales Handeln mit unmoralischem gleichgesetzt. Oder Freiheit mit uneingeschränkten Handlungsmöglichkeiten. Die fatale Folge ist überall sichtbar- wir sind weit davon entfernt, unsere Probleme zu lösen. Und da wir oft nicht wissen, worüber wir reden, ist eine ethische Bewertung auch nahezu unmöglich. So wichtig diese also ist- sie kann nur in einem breiteren Diskurs zwischen Philosophen und Ökonomen funktionieren.

Das soll nicht heißen, dass die Welt der wissenschaftlichen Disziplinen aufgelöst werden sollte. Schließlich wissen wir spätestens seit Adam Smith, dass Spezialisierung und Arbeitsteilung so manchen nicht zu vernachlässigen Vorteil haben. Wohl selten wird es hervorragende Ökonometriker geben, die Spezialisten im Bereich der Freiheitstheorie sind. Aber wenn alle immer nur auf ihre Seite der Medaille schauen, dann können sie diese noch so gut verstehen: Sie werden niemals wissen, was das Beste für alle Seiten ist. Wo möglich, muss es deshalb Integration geben- das könnte bei Ethik als Pflichtfach für Wirtschaftswissenschaftler anfangen. Ebenso wichtig wäre aber beispielsweise eine wissenschaftstheoretische Aufarbeitung ökonomischer Modelle. Wo solche Integration nicht machbar scheint, braucht es aber zumindest Kommunikation. Auf jeden Fall aber muss eines klar werden: Am Ende betrachten wir alle dieselbe Welt.

Autorin: Ina Jäntgen