Die Welt im Konsumdebakel: Wer kann uns retten?

Liest man die Nachrichten, stechen unzählige erschreckende Berichte über Kinderarbeit, Korruption und Klimawandel ins Auge. Doch wer kann uns aus dem Debakel des Konsums unserer heutigen Welt, der für viele dieser Entwicklungen verantwortlich ist, wegmanövrieren? Ein Plädoyer für verantwortungsvolles Handeln jedes Einzelnen im Kleinen und die passende Wirtschaftspolitik im Großen.

In unseren Breiten besteht sie überall, die Möglichkeit zu wählen. Allein wenn man am Backwarenregal eines regulären Supermarktes steht, entkommt man ihr nicht. Produzenten buhlen mit einer unübersichtlichen Variation von Herstellungsarten, Mehltypen und Produktionsländern um die Gunst der Käufer. Doch nicht nur mit diesen Merkmalen: Die Backwaren unterscheiden sich auch im Grad an negativem Einfluss auf die Umwelt und die Gesellschaft. Warum aber wählt nur ein Bruchteil der Konsumentinnen und Konsumenten die Produkte mit den geringsten negativen Externalitäten?

Ein wichtiger Grund sind Informationsdefizite, die auch im Nationalen Programm für nachhaltigen Konsum des Bundesministeriums für Umwelt angesprochen werden. Wenn Sie im Supermarkt stehen, haben Sie dann die Muße, sich ausgiebig zu informieren, um das überzeugendste Produkt im Hinblick auf dessen Nachhaltigkeit erwerben zu können?

Hinderlich beim Griff zu diesem Produkt wirkt bei vielen Konsumentinnen und Konsumenten auch das Gefühl, mit dem eigenen Einkauf wenig Wirkung auf die Produktionsweise zu erzeugen. Sie unterschätzen damit allerdings die Macht der Nachfrage. Natürlich ist es nicht Herr A. oder Frau B., die mit ihrem veränderten Konsumverhalten die Bestellmengen eines Supermarktes beim Großhändler ändern. Entscheidend wirkt aber, wenn der Großteil der Nachbarschaft einen verantwortungsvollen Konsum gegenüber Gesellschaft und Umwelt wählt. Damit kommt der Supermarkt an kritische Verkaufsgrenzen. Werden mehr Tofuwürstchen und weniger Wiener Würstchen als erwartet konsumiert, wird der Händler die bestellten Mengen ändern, um keine Verluste zu erzielen.

Beide betrachteten Hindernisse sind überwindbar und viele Konsumentinnen und Konsumenten schaffen dies durchaus. Dennoch verlangt dies vergleichsweise mehr Aufmerksamkeit und Disziplin, da Informationen sammeln Zeit kostet und ein Großteil der ethisch günstigeren Produkte teurer als konventionelle Produkte sind.

Aus diesem Grund sollte auf verantwortungsvollen Konsum eine Wirtschaftspolitik folgen, die es den Konsumentinnen und Konsumenten erleichtert, ohne allzu große Selbstdisziplin die richtigen Produkte zu finden, und sie zugleich finanziell nicht überproportional belastet. Sie sollten keine Nachteile daraus haben, wenn sie sich für einen Konsum entscheiden, der einen weniger negativen Einfluss auf die Umwelt hat, als wenn sie sich für konventionell hergestellte Güter entscheiden.

Das Steuersystem bietet hierfür in Form von Lenkungssteuern, einen hilfreichen Rahmen. In der traditionellen Steuertheorie werden Lenkungssteuern eingesetzt, um negative Auswirkungen einer wirtschaftlichen Handlung auf Dritte, die bereits erwähnten negativen Externalitäten, soweit zu reduzieren, dass die Handlungen auf ein gesamtwirtschaftlich optimales Niveau fallen. Die zwischen den Jahren 1999 und 2003 durchgeführten ökologischen Steuerreformen orientierten sich an dieser Steuertheorie, indem sie umweltschädliche Aktivitäten auf geschickte Weise verteuerte und damit deren Nachfrage reduzierte.

Will man Lenkungssteuern zukünftig verstärkt nutzen und für die Bürger nachvollziehbar machen, könnte die die Bundesregierung in einem ersten Schritt eine Emissionssteuer einführen, wie sie auch von vielen Wirtschaftsexperten vorgeschlagen wird. Damit würde das Treibhausgas CO2 entsprechend seinem Ausstoß bei der Güterproduktion anteilig auf den Preis jedes einzelnen Guts umgelegt, unabhängig von Branche und Produkt, dafür allein von der Umweltbelastung abhängig. Würden die negativen Auswirkungen der Güterproduktion derart per Steuern eingepreist werden, beginnend mit der CO2-Steuer, wäre letztlich die Disziplin der Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr erforderlich, denn der Preis eines Produkts wird dessen Wirkung auf die Umwelt wiederspiegeln.

Der Wunsch nach bezahlbarem und verantwortungsvollem Konsum muss also erst einmal kommuniziert werden – an der Wahlurne oder mit dem Einkaufswagen. Wenn Sie also Veränderung von oben wünscht, aber das Gefühl haben, dass die Politik Sie ignoriert, fangen Sie doch stattdessen direkt an der Supermarkttheke an.

Autorin: Henriette Weser

Dieser Artikel wurde zuerst auf dem Blog www.think-ordo.de veröffentlicht.